Lichtblick in harten Krisenzeiten-Christophorus-Gesellschaft kann zwei neue soziale Projekte starten

Geschäftsführerin der Würzburger Christophorus-Gesellschaft, macht auf die wachsende soziale Not aufmerksam.
Bildrechte Stephan Hohnerlein

Vielleicht ist ein spleeniger Einfall nicht einfach nur etwas, was völlig „schräg“ ist. Und was man am besten nicht weiter beachtet. Vielleicht deutet das, was so spleenig daherkommt, auf etwas Ernstes hin. Auf eine psychische Erkrankung. Die kommen immer häufiger vor. „Nicht zuletzt unter obdachlosen Menschen“, sagt Nadia Fiedler, Geschäftsführerin der Würzburger Christophorus-Gesellschaft. Ein neues Projekt des Fördervereins Wärmestube zusammen mit der Christophorus gGmbH unterstützt Obdachlose, die psychisch auffällig sind.

Die Mitarbeiter der Christophorus-Gesellschaft sind auf den sensiblen Umgang mit psychisch Kranken trainiert. Denn egal, ob es sich um die Wärmestube, das Johann-Weber-Haus oder die Beratungsstelle für Wohnungslose handelt: Ein großer Teil der Klienten leidet unter Süchten, Depressionen oder Angststörungen. Dank des Fördervereins der Wärmestube gelang es nun, eine eigene Projektstelle zur Begleitung seelisch erkrankter Obdachloser zu schaffen. Dafür hatte sich maßgelblich der Vorsitzende des Fördervereins, Paul Lehrieder, eingesetzt.

Das vom Bayerischen Gesundheitsministerium für zwei Jahre finanzierte Projekt hat überregionale Bedeutung, gab es doch so etwas trotz seiner immensen Bedeutung laut Nadia Fiedler bisher im Freistaat noch nicht.

Neu ist ein weiteres Projekt namens „Noah“. Auch das zielt auf die bessere Versorgung von Obdachlosen ab: „Es geht darum, diese Menschen, so sie es wollen, zu einer Wohnung mit eigenem Mietvertrag zu verhelfen.“ In diesem Fall kommt die Finanzierung von der EU. Das Projekt wird für vier Jahre gefördert. Inzwischen ist das Projektteam zusammengestellt: Drei Sozialarbeiter werden sich ab 2023 für „Noah“ engagieren, dazu gibt es eine eigene Stelle für die Wohnungsakquise.

Dass solche Projektstarts möglich sind in einer extrem schwierigen Zeit, die sehr vielen Menschen im Moment das ganze Leben verleidet, macht Nadia Fiedler Mut. Wobei, wie sie sagt, noch viel mehr getan werden müsste, um die wachsende Not aufzufangen: „Eigentlich müssten wir die alle unsere Angebote ausbauen.“ Die Nachfrage explodiere. So suchten immer mehr Menschen die Wärmestube auf, um sich zu duschen und um ihre Wäsche zu waschen. Aber auch die Schuldnerberatung der Christophorus-Gesellschaft wird stark nachgefragt: „Immer mehr Menschen langt nicht mehr, was sie monatlich einnehmen.“ Die stark gestiegenen Energiekosten sind ein großes Problem für die Menschen. Dazu noch die Lebenshaltungskosten, das bringt viele Menschen an den Rand ihres Limits, finanziell, aber auch psychisch.

Sie wollten, es wäre endlich alles vorüber, hören Sozialarbeiter in den verschiedenen Einrichtungen der Christophorus-Gesellschaft. Die Menschen können nicht mehr. Sie sind ausgelaugt. Erschöpft. „Wir befinden uns nun schon so lange im Krisenmodus, und darunter leiden sowohl unsere Klienten

als auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Nadia Fiedler. Letztere fühlten sich inzwischen stark belastet: „Zu schaffen macht ihnen vor allem, dass sie keine echten Lösungen anbieten können.“ Was sagt man jemandem, der bisher „normal“ gelebt hat und nun allmonatlich am 25. ohne Geld dasteht?

Ein verantwortlicher Arbeitgeber will seine Mitarbeiter vor zu großer Belastung schützen. In den vergangenen zehn Jahren tat die Christophorus-Gesellschaft auch eine Menge, um die Gesundheit ihrer Beschäftigten in den verschiedenen Einrichtungen zu fördern. Mit großem Erfolg. Doch durch die Dauerkrise stößt dieses Engagement an seine Grenzen. Überall steigt der Druck. Durch eine wachsende Zahl von Klienten. Durch Klienten, die zunehmend fordernder auftreten, weil sie selbst so verzweifelt sind. Zu allem Überfluss verengen sich darüber hinaus die finanziellen Spielräume: „Auch wir müssen sehr viel mehr für Strom und Gas zahlen.“

Armenfürsorge ist eine öffentliche Angelegenheit. Eine gemeinnützige Organisation alleine hätte keine Chance, etwas gegen materielle und damit verbunden in aller Regel auch soziale und gesundheitliche Not zu tun. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe dies klar benannt, meint Nadia Fiedler. Sagte er doch im September wörtlich: „Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit sind zuallermeist kein selbstverschuldetes und unvermeidbares Schicksal. Sie zeigen einen unerträglichen gesellschaftlichen Missstand an, den wir in unserem Land beheben können und beheben müssen.“

Diesen Worten, appelliert Nadia Fiedler, müssten nun Taten folgen. Soziale Einrichtungen wie die Christophorus-Gesellschaft in der neuerlichen Krise finanziell alleine zu lassen, hieße letztlich, die Rechte obdachloser Menschen zu beschneiden. Denn Organisationen wie jene, die Nadia Fiedler seit zwei Jahren leitet, sorgen dafür, dass Bürger in extrem prekären Lebensverhältnissen zu dem kommen, was ihnen rechtlich zusteht. „Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, sind Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind“, heißt es im Gesetz. Das ist unmissverständlich.

Anschubfinanzierungen für Projekte charakterisieren dieser Tage weithin die Förderlandschaft. So gut Projekte wie „Noah“ auch sind, sagt Nadia Fiedler: „Einzig mit Projekten kann man soziale Organisationen nicht am Leben erhalten.“ Unabdingbar sei eine kontinuierliche, an den Bedarf angepasste, auskömmliche Förderung des Kerngeschäfts. Nadia Fiedler appelliert an die Politik, dies in den aktuell schwierigen Zeiten nicht zu vergessen.


(Christophorus-Gesellschaft)