Die Schuldner- und Insolvenzberatung der Christophorus-Gesellschaft zeigt anlässlich der bundesweiten "Aktionswoche Schuldnerberatung" vom 7. bis 11. Juni beispielhaft, bei welchen Sorgen und Nöten sie tagtäglich berät und unterstützt.
Ob es noch irgendwo unnötige Kosten gab? Ein überflüssiges Abo? Eine Versicherung, die es nicht wirklich braucht? Maria S. hatte alles durchgeforstet. Da war nichts mehr einzusparen. Dennoch reichte das Geld nicht. Denn durch die Pandemie verlor die 35-Jährige ihren Nebenjob in einem Café. "Solche Fälle haben wir immer häufiger", sagt Stephan Hohnerlein von der Schuldner- und Insolvenzberatung der Christophorus-Gesellschaft anlässlich der bundesweiten "Aktionswoche Schuldnerberatung" vom 7. bis 11. Juni.
Maria S. hat das Gefühl, dass da eine Zeitbombe tickt. Monat für Monat nimmt die Alleinerziehende viel weniger ein, als sie zum Leben braucht. Großes Kopfzerbrechen bereitet ihr ein Kredit bei der Bank, den sie kurz vor Ausbruch der Pandemie aufnehmen musste, um einen Umzug stemmen zu können. "Das treibt sie deshalb so sehr um, weil sie eine hohe Zahlungsmoral hat", sagt Hohnerlein. Genau dies erwarten die wenigsten Menschen von Überschuldeten. Unter der Überschrift "Der Mensch hinter den Schulden" weisen Schuldnerberatungsstellen während der Aktionswoche deshalb darauf hin, wie Menschen zu Schulden kommen. Und dass Schulden so gut wie jeden treffen können.
Schuldnerberater verweisen nicht in erster Linie auf die gesetzlichen Bestimmungen und darauf, was nun alles getan werden muss, um die Gläubiger zu befriedigen. "Bei uns stehen nicht die Schulden, sondern es steht die Person im Mittelpunkt", erläutert Hohnerlein. Sein Ziel ist es, das massive Ungleichgewicht zwischen dem Menschen, der sich verschuldet hat, und seinen Gläubigern ein wenig auszugleichen. Banken und große Unternehmen kooperieren mit Inkassobüros oder gewieften Rechtsanwälten. Die terrorisieren Verschuldete mit Mahnbriefen, Pfändungen oder Vollstreckungsbescheiden. Vielen jagt das immense Angst ein.
Auch Maria S. hatte das Gefühl, in eine Sackgasse geraten zu sein. Bevor sie zu Stephan Hohnerlein gekommen war, hatte sie um die Reduzierung des Bankkredits gebeten. "Doch das hatte die Bank nicht akzeptiert", berichtet der Sozialpädagoge. Durch die Pandemie sei es für Betroffene noch mal schwieriger geworden, mit Gläubigern zu verhandeln, beobachtet er. Intervenieren professionelle Schuldnerberater, haben die Darlehensgeber eher ein Einsehen. Im Moment zeichnet sich ab, dass auch der Kredit von Maria S. in den kommenden Monaten gestundet wird. Gleichzeitig hat die Würzburgerin erfahren, dass sie bald wieder in ihrem Café arbeiten kann.
Wieder schuldenfrei zu sein, ist ein großer Wunsch von Menschen, die tief in der Kreide stehen. Dies ist nun schneller möglich als bisher, denn die Insolvenzlaufzeit wurde vom Gesetzgeber von sechs auf drei Jahre verkürzt. "Dadurch ist die Nachfrage nach Insolvenzfahren bei uns stark gestiegen", so Hohnerlein. Er und seine Kolleginnen und Kollegen von der Schuldner- und Insolvenzberatung der Christophorus-Gesellschaft begleiten die Klienten während der gesamten Insolvenzlaufzeit. Immer wieder ist zwischendurch Hilfe nötig: "Zum Beispiel, weil Briefe vom Amtsgericht nicht verstanden werden."
Gefährden Schulden die Existenz, ist rasches Handeln erforderlich. Diese Fälle haben bei der Christophorus-Gesellschaft höchste Priorität. Niemand soll aufgrund von Schulden seine Wohnung verlieren. Niemand soll wegen unbeglichener Stromrechnungen im Dunkeln hocken. Jeder Mensch soll sich ausreichend zu essen kaufen können. Auch wenn die Geldbörse fast leer ist. In akuten Fällen wird ohne Wartezeit beraten. Ist die Existenz nicht bedroht, können nach dem Erstgespräch derzeit vier bis fünf Wochen bis zum Einstieg in die eigentliche Beratungsarbeit vergehen. Beraten wird momentan in erster Linie telefonisch oder via Internet.
Ob uns die Krise wohl alle wird zusammenrücken lassen? Vor einem Jahr war die Hoffnung groß, dass Corona für einen Solidarisierungsschub sorgen wird. Inzwischen schwindet diese Hoffnung. Gerade Überschuldete erfahren nach wie vor Ausgrenzung statt Mitgefühl. Katrin Falkner, Studentin der Sozialen Arbeit, die gerade ein Praktikum in der Christophorus-Gesellschaft ableistet, startet deshalb in Kürze ein Projekt, das "Menschen hinter den Schulden" sichtbar machen soll. In den kommenden Wochen möchte sie zehn Klienten interviewen. Aus den Interviews soll eine Ausstellung entstehen, die Falkner sowohl digital als auch analog zeigen möchte.
Auch Katrin Falkner weiß, dass Schulden quälerische Selbstzweifel auslösen können: Ist man nicht vielleicht doch "schuld" an dem Schuldenberg? Diese Selbstzweifel können dazu führen, dass man sich nicht traut, Hilfe in Anspruch zu nehmen. "Indem wir die Geschichten einiger unserer Klienten erzählen, möchten wir Mut machen, zu uns zu kommen", sagt Falkner. Menschen ohne Schulden sollen durch die Ausstellung erfahren, dass Verschuldung kein gesellschaftliches Randproblem ist. Jeder zehnte, so Stephan Hohnerlein, ist davon betroffen.
Allen Bürgern Zugang zur sozialen Beratung zu eröffnen, ist ein dringendes Anliegen von Schuldnerberatungsstellen in ganz Deutschland. Vielerorts wird laut Stephan Hohnerlein nur die Beratung von Menschen ohne Job finanziert. Gerade die Pandemie zeigt jedoch, dass auch Männer und Frauen, die im Berufsleben stehen, von Verschuldung betroffen sein können. Auch Maria S. geht nach wie vor in Teilzeit arbeiten. Sie bezieht weder Arbeitslosengeld noch Hartz IV. Doch das, was sie verdient, ist durch den Wegfall des Nebenjobs viel zu wenig, um all das, was sie finanzieren muss, tatsächlich auch finanzieren zu können.